Magda Korsinsky macht in ihren Papiercollagen das Medium an sich sichtbar, die Oberfläche der Leinwand und die Materialien, aus denen ihre Werke bestehen. Die Herstellungsart der Werke erlaubt dem Betrachter einen Einblick in den komplexen kreativen Prozess, der ihrer Arbeit zugrunde liegt. Die zerissene Pappe und Papierschnipsel erzeugen die Illusion der Durchschaubarkeit des klassischen Abbildes, als wäre die Bildoberfläche losgelöst von dem tatsächlich Gezeigten. Das eigentliche Abbild scheint der Oberfläche des Bildes entrissen – in dem
Versuch das zu enthüllen, was hinter dem Bild verborgen liegt. Tatsächlich sind die Papiercollagen Abstraktionen, die an bestimmte Ereignisse erinnern und den damit verbundenen Emotionen durch das Zusammenspiel von Farbe und Form Ausdruck verleihen. In ihren Kompositionen von Kleidungsstücken auf Keilrahmen (spezielle Rahmen, auf denen die Kleidung befestigt wird) betont sie das Medium, ihre Materialien und den Prozess ihrer Verarbeitung. Die abgetragenen Kleider wollen uns an die Menschen erinnern, denen sie einst gehörten – wir ahnen die Kontur ihrer Körper. Es scheint ganz so, als enthüllten die Kleidungsstücke die Identitäten derer, die sie besaßen, wir erfahren ihre Namen in den Bildtiteln. Dennoch verbergen die Arbeiten oft mehr als sie zeigen. Der Betrachter sieht Kleider, die mit Nägeln und Rahmen an der Wand befestigt sind. Die Anordnung der Stücke, die Beschaffenheit der Stoffe und die Art der Verarbeitung und Präsentation erzeugen eine Aura des Geheimnisvollen, von Einsamkeit, Wortlosigkeit und Entfremdung. Die abgelegten Kleidungsstücke, die den Betrachter an einen Menschen erinnern sollen, sind gleichzeitig eine leere Hülle, eine Fassade, Form ohne Inhalt, die Sinn und Zweck verloren hat – ein Symbol der Abwesenheit.
Korsinskys Arbeiten setzen sich mit den Spuren auseinander, die Dinge und Menschen hinterlassen, die langsam von der Zeit verwischt werden. In ihren Siebdrucken bilden abgelegte Kleidungsstücke bizarre Formen, eine über der anderen, sodass die originalen Strukturen und Gewebefasern erhalten bleiben. In ihren abstrakten Siebdrucken experimentiert die Künstlerin mit Farbe und Form. Sie konzentriert sich auf die Farbverläufe, die Umrisse und Formen verschmelzen mit- und fließen ineinander. Korsinsky interpretiert die Formsprache der Avantgarde in all ihrer Vielschichtigkeit von Komposition, Form und Farbe neu.
Ihre Serie “Kleiderwoche” verdankt ihren Namen der Kleidung, die an den sieben Wochentagen getragen und ausgezogen wird. Sie beschäftigt sich nicht nur mit dem flüchtigen und metamorphen Wesen der Zeit, sondern auch mit dem flüchtigen und metamorphen Wesen der Dinge, Formen und Farben in der Zeit. Die Kleidung, die man einer bestimmten Zeit zuordnet und an bestimmten Wochentagen trägt, wird von der Künstlerin in eigentümliche, abstrakte Kompositionen verwandelt.
Sie wirkt, als sei sie aus spontan zusammengetragenen, persönlichen Stücken arrangiert, ist jedoch von der Künstlerin akribisch komponiert, um ein Gefühl der flüchtigen Kurzlebigkeit zu erzeugen. Die Aura des Intimen geht verloren, das Innere wird ins Äußere gekehrt, und die alltägliche Privatssphäre wird dem Persönlichen enthoben, entfremdet und sorgfältig für den Betrachter inszeniert. Die körperlichen Spuren des ursprünglichen Trägers verschmelzen mit den Spuren der Zeit und den Spuren, die der Prozess des Siebdrucks hinterlässt. Letztendlich werden wir mit einem abstrakten Bild konfrontiert, in dem Privates und Öffentliches übereinander liegen; Formen, Identitäten und Farben gehen ineinander über, sodass die ursprünglichen Formen kaum mehr zu erkennen sind.
Korsinskys von Fotos inspirierte Siebdruckserie abstrahiert die Landschaften, Innenräume und Porträts der Originale. Auch hier übermitteln die Farben und Umrisse, die durch die Siebdrucktechnik entstehen, nicht die genauen Details der eingefangenen Bilder, sondern Eindrücke, Erinnerungen und unterschwellige Gefühle. Die zerpflückten Fragmente, Linien und verschwommenen Silhouetten, die auf der Leinwand verteilt sind, sind in einem bestimmten Rhythmus angeordnet, der den dynamischen Charakter der dargestellten Szenen aufzeigt. Das Thema der “Spur”, das sich Magda Korsinsky in ihren Arbeiten zu eigen macht, ist eines der
Grundmotive in der Kunst. Die Spur als Symbol – der Abdruck eines Körpers im Stoff ruft das Bild eines Menschen hervor; gleichzeitig wird diese Spur zu einem Symbol – die Spur des Künstlerkörpers auf der medialen Oberfläche des Kunstwerks, welches an dessen Statt die Wirklichkeit widerspiegelt.